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Barockes mit Barbetrieb  

„Eine Frage des Funkens“: Das neue Münchner Mini-Festival „Klassik & Lounge“ will auf ungewöhnliche Weise Besucher anlocken

In Zwanzig Jahren, so unkt Star-Dirigent Nikolaus Harnoncourt gern, sei das normale Abo-System doch kaputt. Keine Lust mehr auf  Beethoven und Brahms, leere Säle, ruinierte CD-Firmen. Doch so demonstrativ pessimistisch will eine neue Münchner Initiative gerade nicht sein. „Klassik hat halt oft was Steifes“, sagt Otger Holleschek. Ein Grund, warum die Jugend auf Gasteig und Co. Pfeift, so vermutet er. Und das Gegenrezept? „Die Standardform aufbrechen“.
Mit einem ungewöhnlichen Konzept sollen daher ab kommenden Donnerstag neue Konzertbesucher gewonnen werden. „Klassik & Lounge“ bietet in Münchens Allerheiligen Hofkirche Kammermusik mit Barbetrieb. Bis Sonntag werden dort prominent besetzte Konzerte angeboten, die um 19:30 Uhr starten. Normale Stuhlreihen wird der Besucher dabei nicht finden, eher lose gruppierte „Hör-Inseln“, wie es Holleschek formuliert. Ab 22 Uhr beginnt dann (außer Sonntag) jeweils die „Lounge“, die Kammermusik häppchenweise offeriert: Zwischen kürzeren, locker moderierten Klassikstrecken gibt es einen Barbetrieb, der angrenzende Kabinettgarten soll zum Flanieren einladen.
Für Otger Holleschek ist es keine Feind-, wohl aber die Erstberührung mit dem Klassikgeschäft. Denn eigentlich ist er über München hinaus bekannt als professioneller Partyveranstalter, der seinen ersten Erfolg mit seinem Studienabschlussfest feierte.
„Wir sind in ein Kieswerk gegangen, haben 200 Leute erwartet – und 600 kamen.“ Zusammen mit Ariel Zuckermann, dem Chef des Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt, entwarfen Holleschek, sein Geschäftspartner Matthias Schlick und Filmproduzent Jimmy Gerum das Konzept für ihr Festival. „Unser Publikum sind normalerweise die 25- bis 40- Jährigen“, meint Partymacher Holleschek. „Und diese große Zielgruppe hat unter Umständen noch gar nicht erkannt, wie viel Schönes und Aufregendes die Klassik bietet.“
Wichtig ist den Veranstaltern dabei, dass sie keine Wunschkonzertkost à la „Kleine Nachtmusik“ servieren. Zu hören gibt es vielmehr Ambitioniertes wie Bartóks Divertimento für Streicher, Barock-Arien mit dem Countertenor Matthias Rexroth, das erste Streichquartett von Charles Ives, Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ oder Schuberts Fünfte.
Als größere Ensembles sind das Georgische Kammerorchester und die Taschenphilharmonie dabei. Die ganz Kleinen werden Samstag und Sonntag (ab 16 Uhr) mit einem Kinderkonzert angesprochen, das sich um Beethovens „Pastorale“ dreht.
Erst seit Mai sitzen Holleschek und seine Mitstreiter an der Planung. Finanziell wird die Sache ein Risiko, wissen alle. Trotzdem denkt man bereits an ein Folgeprojekt im nächsten Jahr. „Eine Frage des Funkens“ sei das Vorhaben eben, so der Münchner. Wobei man Wert darauf legt, kein bloßes „Event“ auf die Beine zu stellen. „Uns interessieren nicht die Leute, die für die erste Reihe regelmäßig 120 Euro zahlen“, sagt Holleschek. Gerade deshalb wurden die Preise niedrig gehalten, die Konzerte sind für 25 Euro, die Lounge-Programme „etwa zum Preis einer Kinokarte“, also für 12,50 Euro zu haben.
„Lasst es uns nicht fürs Etablishment machen“ haben sich die Veranstalter vorgenommen. Aber ob man mit „Klassik & Lounge“ nicht traditionelle Konzertgänger eher abschrecke? „Das glaube ich nicht“, meint Holleschek. „Wir verprellen höchstens diejenigen, die nur ihren Anzug oder ihre Robe ausführen wollen. Doch mit so einer Einstellung kommt man ja ohnehin nicht weit im Leben.“